Der Ruhmgesang des Rigensers Basilius Plinius
auf die hochgeschätzte Stadt Riga,
die Metropole Livoniens
Leseprobe: Zeilen 1 – 54 und 89 – 122
Andere, die mit der Gabe der Rede reicher gesegnet,
sollen des blutigen Mars Kriege besingen im Lied;
mögen sie die im Blute schwimmenden Streitwagen preisen
und die Gefallenen: tot sind sie, der Schlachtfelder Saat.
Mögen sie der Titanen schändlichen Übermut rühmen,
und des Amphitryon schier unnachahmliches Tun.
Höchste Achtung sei ihnen entgegengebracht von dem Volke,
und ihr Name geehrt über die Zeitalter hin.
Mir jedoch soll es genügen, wenn über mich ihre Lieder
gnädig Thalia ergießt: Muse, sei mir geneigt!
Möge man mich dafür rühmen, daß ich die Heimat verherrlicht;
anderes acht' ich gering, was die Menge bestaunt.
Weder gelang ich zu deinem glänzenden Ruhme, Vergilius,
noch auch zu deinem, Homer – doch ich bedaure es nicht.
Wem zu innigstem Danke bin mehr ich als dir nur verpflichtet,
einzig und ausschließlich dir, herrliche Heimat du?
Freundlich empfingst du uns einstmals im Morgenrot unseres Lebens,
wärmtest uns, die wir der Welt Licht soeben erblickt.
Erstmals füllten die Lungen sich hier mit balsamischem Äther,
der die Wogen des heiß schäumenden Herzens gezähmt.
Nahrung in reichlicher Fülle boten uns freundlich die Lande,
gaben für Leben und Leib gute Gesundheit und Kraft.
Deshalb bringe als Zeugnis ich meines unendlichen Dankes
dir, o Riga, mein Lied, dir mein Lobgedicht dar.
Riga, Hauptstadt und Sonne, des Vaterlands prachtvolle Zierde:
tief ist dein Name geprägt in meinen Geist, in mein Herz.
Wenn ich des Tages gedenke, da also an Bord eines Schiffes
ich der unendlichen See anempfohlen mein Los
und deine hohen Mauern zurückließ; gedenk ich des Tages,
da allmählich das Meer deine Türme verschlang,
und ich vor Kummer die Blicke von dir nicht abwenden konnte,
dann schlägt noch heute mein Herz zärtlich und heiß in der Brust.
Wie eine liebende Mutter hast du mich am Busen getröstet,
als ich, ein hilfloses Kind, heiße Tränen geweint.
Wenn also bis auf den heutigen Tag das purpurne Blut mir
pulst in den Adern und flink all’ meine Glieder durchströmt,
wenn ich in all den vergangenen Jahren der besten Gesundheit
mich erfreute, verdank, Riga, ich dir dies allein!
O wenn die Parzen, des Schicksals Göttinnen, gnädig den Faden
meines Lebens recht lang webten, auf daß ich den Dank
tätig zu zeigen vermöge und mein zu Worten gereifter
guter Wille sich dir einzig zu Ehren erfüllt!
Also bitt ich dich: Nimm nun mein Loblied freundlich entgegen,
das meine Muse dir singt, so es dem Schicksal gefällt.
Ohne Bedeutung, bekenn ich, wäre das Werk, wenn ausschließlich
du das gemächliche Maß seiner Verse beschaust;
wenn du hingegen den Inhalt erhörst, dann ist es ein Preisen,
wie es Jehova gebührt, unsrem erhabenen Gott.
Also ziehe nun, rühmend die Heimat, mein Lied, in die Welt aus;
du sei, Thalia, jedoch gnädig gesinnt meinem Werk!
Deine Weisheit, sie schreite voran und weise den Weg mir,
daß der Historie Verlauf wahrhaft ich folge und treu;
hilf auch, die richtigen Worte zu finden, auf daß es gelänge,
glanzvoll und farbig den Ruhm meiner Geburtsstadt zu baun.
[…]
Hier gelangte ein Schiff an, von Sturm oder Schicksal verschlagen
auf seiner Fahrt aus dem Land Sachsen nach kältrem Gestad.
Kaufleute war’n es aus Bremen, die nun zu erkunden beschlossen
– trotz des ursprünglichen Ziels – was für ein Land das wohl sei,
jenes Land, das sie jenseits des Meerbusens wähnten; und daher
setzten sie also dem Nord ihre Segel nun aus.
Gegen die Strömung zerteilte der Schiffskiel der Bremer die dunklen
Fluten der Düna, im Wind waren die Segel geschwellt.
Aus den dunklen Tiefen der Wasser erhob sich der Vater,
Gott auch der Düna, und schlug vor dem Schiff seine Brust,
und das von Seetang und Steinen und Muscheln zur Gänze bedeckte
bärtige Haupt schüttelnd, sprach er nun also erregt:
„Diese Maschine, die früher ich niemals gesehen: Was will sie?
Und was bringen die fremd wirkenden Menschen an Fracht?
Nicht umsonst sah mein Vater voraus, daß die hiesigen Völker
von einem Fremdling dereinst hart unterjocht werden wird.
Ach, eure Freiheit, ihr Liven, ist friedlich gewesen, und später
wird das einstige Glück süßes Gedenken euch sein.
Gehet, ergreift eure Knüttel, errichtet Wälle und schützet
vor dieser schwimmenden Burg sorgfältig Küste und Land!
Werfet euch mutig ins Wasser und eifert das Schiff zu versenken,
welches als einzige Fracht Kummer und Sklaventum bringt!
Aber wer wird mit dem Schicksal ein sinnloses Ringen beginnen?
Nehmt, was verheißen ist, hin, tragt es fortan mit Geduld!
Daß sie das Gute euch nehmen, dafür jedoch Besseres bringen,
mag dem bedrückten Gemüt Stärkung und Linderung sein.
Anderen Glauben, den einzig wahrhaftigen, werden sie lehren,
tragen euch Licht in den Geist, flößen ihm Gottesfurcht ein.
In die Verbannung vertrieben wird alle wilde Verrohtheit,
und vor Lanze und Schwert fällt das Barbarentum bald.
Wo das Verbrechen gehaust hat, erbaut die erhabene Themis
ihren Tempel sowie Schulen, den Musen zum Dienst.“ –
Als er also gesprochen, verbarg er sein Haupt in den Fluten,
und aus den Tiefen stieg tanzend ein Perlreigen auf.